–Börse Online—Interview mit Moody–s-Analyst Alexander Kockerbeck:
„Wir werden alle italienischer“

Euro-Staaten sollten sich bei den Themen Rente
und Verschuldung Italien zum Vorbild nehmen / „Wenn eine Regierung
beim Schuldenmanagement nicht aufpasst, wird sie abgestraft“ / Für
Rating-Bestnote „Aaa“ staatliche Zinsbelastung von zehn Prozent die
kritische Grenze

Die Euro-Länder sollten sich bei den Themen Rente und Verschuldung
Italien zum Vorbild nehmen, fordert Alexander Kockerbeck, leitender
Analyst der Ratingagentur Moody–s für die Staaten des Euro-Raumes. Im
Interview mit dem Anlegermagazin –Börse Online– (Ausgabe 46/2010, EVT
11. November) sagte Kockerbeck: „Italien ist das einzige Land
Europas, in dem ein Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung
automatisch zu einer Änderung des Rentensatzes führt. Wenn der Rest
Europas diesem Beispiel folgen würde, wäre das schon ein
Fortschritt.“

Im Gegensatz zur Meinung vieler Experten sieht Kockerbeck Italien
auch bei der Verschuldung auf dem richtigen Weg. „Italien hat seine
öffentliche Verschuldung weitgehend stabilisiert“, argumentierte er.
„Das müssen andere Euro-Länder erst einmal nachmachen.“ Nähme man die
öffentlichen und privaten Verbindlichkeiten zusammen, seien die
Südeuropäer kein so hoch verschuldetes Land. So hätten private
Haushalte und Unternehmen die Verschuldungsexzesse des vergangenen
Jahrzehnts nicht mitgemacht. Die Ausweitung der Risikoprämien bei
europäischen Staatsanleihen wertet der Analyst als Signal, dass die
Märkte wieder bereit seien zu sanktionieren. „Wenn eine Regierung
beim Schuldenmanagement nicht aufpasst, wird sie abgestraft.“ Deshalb
vermutet er: „Wir werden wohl alle italienischer werden.“

Zugleich hob Kockerbeck im –Börse Online—Interview hervor, dass
Italien „nur eine Art Zwischenziel beim Versuch der Stabilisierung“
sein könne. Für die Vergabe der Rating-Bestnote „Aaa“ bei Moody–s sei
demnach deutlich mehr erforderlich. „Neben einer niedrigen
Schuldenquote kommt es unter anderem entscheidend auf die
Zinsbelastung eines Staates an.“ Sobald diese den Wert von etwa zehn
Prozent überschreite, sei eine Regierung in ihrer Haushaltspolitik
stark eingeschränkt. „Dann lässt sich ein –Aaa—Rating in der Regel
nicht mehr halten.“ Zur Berechnung der Zinsbelastung wird die Höhe
der Zinszahlungen eines Staates ins Verhältnis zu seinen
Steuereinnahmen gesetzt.

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